Sonntag, 31. Mai 2009

Eliots Geschenk (1983)

Die Theorie der Mensch sei ein Gewohnheitstier, ist mindestens genauso alt wie die Erkenntnis, daß man bei manchem Geschenk nicht so recht weiß, ob man sich freuen, oder es sonst wohin wünschen soll. Was diese beiden Dinge miteinander zu tun haben? Vielleicht mehr, als Sie je vermutet hätten... Und vielleicht, bedingen sie sich sogar gegenseitig?

EINS

Es war einer jener unvergeßlich schönen Sommertage, an denen die Sonne feurig vom Himmel lacht, Vögel aufgeregt durcheinander zwitschern und Insekten wie verrückt hin und her brummen, während der Wind sanft durch die Gegend streift...

Alfred Doomsley hatte es sich auf der Veranda so bequem wie nur eben möglich gemacht, entschlossen diesen herrlichen Tag in vollen Zügen zu genießen. Trotzdem saß er in dem alten, klapprigen Schaukelstuhl, in dem schon sein Urgroßvater gesessen und sich Bandscheibenschmerzen geholt hatte.

Und da die Doomslays eine äußerst traditionsreiche Familie waren, erübrigt es sich zu sagen, daß auch die nächsten Generationen von diesem Schicksal nicht verschont blieben. Sehr zum Unwillen von Alfie Doomslay übrigens, der das alte Ding zum -, nun, eben dorthin, wünschte. Das Nichtfluchen gehörte ebenfalls auf die lange Liste der Familientraditionen der Doomslays.

Er saß also dort, natürlich in den alten Jeans die er immer trug, genauso, wie das großkarierte Holzfällerhemd, das, wie immer, aus der Hose schaute, die von den obligatorischen Hosenträgern gehalten wurde. Nur die schweren Rindslederboots hatte er ausgezogen. Stattdessen trug er die viel zu großen Pantoffeln seines Vaters, in die schon Grandpa seine Füße zwecks allabendlicher Lüftung gesteckt hatte. Unschwer es zu erraten - eine Familientradition.

Neben ihm auf dem wackligen Tisch, lag die Maiskolbenpfeife, die allen männlichen Doomslays bereits mit die Wiege gelegt wurde (im wahrsten Sinne des Wortes übrigens). Er nahm die Pfeife und klopfte die Reste am Stuhlbein aus. Dann stopfte er sie mit der Familienmarke (versteht sich von selbst) und steckte den Tabak (Old Bull-Shit-Super-Snuff) in Brand.

Ein penetrant, süßlicher Geruch stieg von der heftig qualmenden Pfeife auf und Alfie mußte husten. Dennoch paffte er unverdrossen weiter, ohne dabei auf seinen Magen zu achten, der heftig revoltierte. Richtig, ich vergaß es zu erwähnen, das Pfeiferauchen war ebenfalls eine langgehütete Familientradition.

Schön und gut mögen Sie nun einwenden, aber was soll das alles? Schließlich gibt es Millionen, die nicht besseres zu tun haben, als sich nach einem harten Tag auf die Veranda zu setzen, Pfeife zu rauchen und den Feierabend zu genießen. Warum verflixt, sollte mich ausgerechnet dieser Alfie Doomslay interessieren? Nun, Sie sollten nicht so hart mit ihm ins Gericht gehen. Obwohl Alf bis jetzt alle Traditionsrituale pedantisch, wie er nuneinmal ist, vollzogen hat, brodelt es doch unter der augenscheinlich so ruhigen, geradezu langweiligen Schale.

Irgendwo dort, tief drinnen macht sich seit einiger Zeit ein stinkender, struppiger Bursche bereit hervorzubrechen. Einer, der sich so schnell nichts gefallen läßt, der allen Angriffen mit schlagfertiger Leichtigkeit trotzt und jedem seine Meinung, ob er sie nun hören will, oder nicht, ins Gesicht brüllt, um sich später dafür selbst auf die Schulter zu klopfen. Kurz, ein gefürchteter, aber dennoch geachteter und bewunderter Kämpfer gegen alles Langweilige und Althergebrachte. Ein echter Revoluzzer! Leider existierte diese Version Alfies Egos bisher nur in seinen Gedanken. Die Realität kannte keinen aufbegehrenden, die Traditionen mißachtenden Alfred Doomslay.

Doch das sollte sich ändern! Und heute war genau der richtige Tag dafür. Der Rest der Familie, war zu Besuch bei den Calaghans in Derrington. Alf hütete während ihrer Abwesenheit die Ranch. Daher hatte er beschloßen, diese glückliche Fügung des Schicksals schamlos auszunutzen.

Wieder griff er nach dem kleinem, wackligen Tischchen, auf dem eigentlich Der gute Ton für Anfänger, von Heidi B. Nimm liegen sollte. Das Buch lag auch dort, doch Alfie ignorierte den langweiligen Wälzer. Statt dessen griff er verstohlen, nach einem schmalen Taschenbuch. Ein Buch. Ein Machwerk, um der Wahrheit die Ehre zu geben, mit Geschichten vom Meister der intelligenten Science Fiction Kurzgeschichte, wie der Einband versprach.

Alf rutschte auf seinem unbequemen Sitz solange hin und her, bis eine halbwegs angenehme Lesestellung gefunden hatte und schlug das Buch auf. Gerade als er sich ganz in das Geschehen vertieft hatte, verstummten plötzlich die beschwingten Laute der Natur um ihn herum. Und wurden von einem schrillen, markerschütterndem Pfeifen in den Hintergrund gedrängt. Das Pfeifen wurde lauter und schriller und schriller und noch lauter. Dann endete es abrupt und ein mächtiges, blechernes Scheppern ertönte aus dem Garten, der hinter dem Haus lag. Dann war der Spuk vorbei.

Die Natur beendete die eingelegt Pause. Die Insekten hatten aufgetankt und brummten wieder hin und her, Vögel ließen ihre Kehlen anschwellen und auch die Sonne tauchte hinter einer, anscheinend eben erst entstandenen, blütenweißen Wolke auf. Und konnte sich ein Lachen nicht verkneifen.

Vermutlich lachte sie über Alfie. Denn der saß, als hätte ihn der Blitz getroffen, mit weit aufgerissenen Augen und Mund, fast senkrecht in seinem Schaukelstuhl, zum Arbeiterdenkmal erstarrt. Offensichtlich tief beeindruckt, vom Schock eines temporären Hysterieanfalls.

Doch schon ein paar Sekunden später, vielleicht war es ja der Revoluzzer, erwachte Alf aus seiner Starre und entschied, das sein Verhalten reichlich kindisch und unangemessen war. Was, wenn jemand seine Hilfe brauchte? Die Air-Base war schließlich nur ein paar Meilen entfernt, und es hatte im Laufe der letzten Jahre immer wieder Abstürze in der Gegend gegeben.

Mit einem Satz, bei dem Alf den linken Pantoffel verlor, übersprang er die Verandabrüstung und suchte den klaren, blauen Himmel nach dem Weißeines Fallschirms ab. Es war jedoch nicht zu sehen. 'Mein Gott', dachte Alfie erschrocken. 'Der Pilot wird sich doch wohl nicht samt seiner Maschiene in unseren Garten gestürzt haben?' Da er dies nur herausfinden konnte, indem er nachsah, rannte er, ohne auf den fehlenden Pantoffel zu achten, in den Garten und -

Alfs Herz setzte für einen Moment aus und legte dann einen Doppelschlag zu, um den Rückstand wieder einzuholen.

ZWEI

Alf klimperte mit den Augen, konnte jedoch mit dem Bild, das sie ihm lieferten absolut nichts anfangen. Hinter den Brechbohnen, mitten im Weißkohlbeet stand ein, ein, ja, was war das eigentlich? Ein überdimensionales Ei. Und was für eins! Abwechselnd schillerte es gelb, grün, blau und rot, den ganzen Regenbogen rauf und runter. Dabei reichte die Obere Rundung bis knapp über die Wipfel der Apfelbäume und war offensichtlich nicht von dieser Welt. Das war zumindest der Verdacht, den Alfie beschlich, der durch das 3 Fuß hohe Männchen, das vor dem Ei stand, nur erhärtet wurde.

Der blaßblaue Störenfried wartete offensichtlich schon auf Alf, denn er schlug ungeduldig mit dem Schwanz auf den Boden, wobei er kleine Staubwölkchen aufwirbelte.

Na, also. Hat sich doch gelohnt, ausgerechnet Alfred Doomslay aus der Masse der zahllosen Pfeifenraucher, die auf Veranden herumsitzen, herauszugreifen. Was gleichzeitig, wiedereinmal einen Satz belegt, der mir zur Zeit leider entfallen ist.

Der blaßblaue Zwerg, offensichtlich aus Disneyland entflohen, trug einen schlecht sitzenden, regenbogenfarbenschillernden Raumfahreranzug, mit glaskuppelförmigen Helm und einer Menge Antennen obenauf. Interessanterweise waren Arme, Beine und Schwanz vom Raumanzug ausgenomen, sodaß die überdimensionalen Fußklauen deutlich sichtbar hervorschauten, und die ganze Erscheinung, wie aus dem Cartoon gesprungen aussah. Zu allem Überfluß konnte er auch noch sprechen.

``Hallo, Alf!'' sagte der Blauling. ``Ich bin Eliot.''

``Brzgnif?'' machte Alfie, und kam sich sofort ziemlich blöde vor. Dabei genügen die ersten Äusserungen von Menschen, die ihrem ersten Alien gegenüber stehen, selten intellektuelleren Ansprüchen. So das man Alfie durchaus einem Platz im oberen Mittelfeld einräumen muß, schon weil er überhaupt etwas herausbrachte.

Langsam, ganz langsam, löste sich Alfies Starre. Merkwürdigerweise hatte er überhaupt keine Angst.

``Also beginnen wir gleich mit den Formalitäten,'' sagte Eliot. ``Ich arbeite für die GEG und soll hier was abliefern. Am besten du unterschreibst gleich die Papiere, ohne viel Aufhebens zu machen, damit ich schnell wieder abhau'n kann. Ich hab's nämlich verdammt eilig,'' und schaute auf ein seltsam geformtes Gerät an seiner überdimensionalen linken Zehe, das in einem merkwürdigen Rythmus tickte. Wieder schlug er ungeduldig mit dem Schwanz auf.

``Wir haben aber doch gar nichts bestellt.'' stieß Alf dann endlich hervor. Anscheinend hatte er seine Stimme wiedergefunden, nachdem er sie kurzzeitig verlegt hatte.

``Das macht doch nichts. Unsere Genschenke kommen selten auf Bestellung. Aber schließlich ist es ja für alle gedacht. Ich sagte doch, ich arbeite für die GEG!''

``Gag? Das ist aber ein merkwürdiger Scherz.'' meinte Alfred.

``Beim Barte meiner zweischwänzigen Schwiegermutter!'' erzürnte sich Elliot und erblaute. ``Das hier ist kein Scherz. Kein Gag. Ich komme von der G.E.G.'', wobei er jeden einzelnen Buchstaben einzeln betonte. ``Das ist die Abkürzung für die Galaktische Entwicklungshilfe Gesellschaft mbH.''

``Ach so.'' machte Alfie, merklich bemüht sachlich zu bleiben. Irgendwie war der, offensichtlich aus irgendeinem Varieté entflohene Blaue, nicht ganz richtig in den oberen Geschossen. Solche Leute mußte man mit freundlicher Zurückhaltung behandeln. Das hatten sie schon oft in allen möglichen Serien, im Fernsehen gezeigt. Sicher würde gleich der Sheriff mit einem Krankenwagen und einer Menge Leute auf ihrer Suche, nach dem Blauen vorbeikommen, und -

``Na, was ist?'' drängte Eliot und hielt Alf einen Fetzen Papier unter die Nase.

``Ich habe leider nichts zu Schreiben bei mir.'' sagte Alfie, überzeugt davon, den Blauen überlistet zu haben. In dem komischen Anzug, hatte er nämlich keine einzige Tasche entdecken können.

Doch Eliot sandte einen kurzen Sub-Äther-Gedankenbefehl zum Raumschiffscomputer, der daraufhin einen Sub-Äther-Transportbefehl losließ und ein Schreibgerät für Primitiv-Welten, in Eliots Hand beamte.

Für Alf sah es so aus, als hätte der Blaue nur kurz mit der Linken geschnippt, woraufhin ein Kugelschreiber in der Greifklaue materialisierte, den er ihm dann zur Unterschrift reichte. Natürlich wußte Alfred nicht, das Eliot einen Hang zum Theatralischen besaß, den er gelegentlich gehörig ausnutzte. Besonders, wenn er es mit Primitiv-Weltlern zu tun hatte.

Alfs Varieté-Theorie war jedenfalls dahin. Beunruhigt machten sich die hinteren Regionen seiner Denkmaschine daran, sich eine neue Hypothese aus den Windungen zu saugen.

Vorerst betrachtete er jedoch, der Einfachheit halber, erst einmal das Papier, das der Blaue ihm in die Hand gedrückt hatte. Er stutzte.

``Was sind das denn für merkwürdige Zeichen?'' entrüstete er sich vorsichtig. ``Das kann ich aber gar nicht lesen.'' Man durfte Wahnsinnige nicht in die Enge treiben, dann wurden sie noch unberechenbarer.

``Wie, warum?'' machte Eliot und rang, zum zweiten Male heute, um seine Fassung. Er nahm Alf den Wisch wieder aus der Hand, und warf einen geringschätzenden Blick darauf. Er erblaute erneut.

``Tja, äh, da hab' ich doch glatt den Erdvertrag mit dem der beiden Naswurzer verwechselt, die auf Aquria IV als Wassertreter auf dem Turbodampfboot eingesetzt werden sollen. Du hast vielleicht davon gehört, das gab es einige Schwierigkeiten in letzter Zeit.''

``Ja, ja,'' machte Alfie. ``Davon habe ich gehört. Tut mir auch echt leid für sie.''

Wieder schnippte Elliot mit der Klaue, und reichte Alf eine anderes, nun, war es Papier? Alfred fühlte eine holzähnliche Konsistenz und fuhr sachte mit den Fingern darüber.

``Hör auf, das kitzelt,'' sagte der Vertrag und kicherte ungeniert. Alfreds Verstand beschloß eine kurze Pause einzulegen -

``Was ist das?'' schrie er los, gleich nachdem er `wieder da' war, als gelte es den Weltmeister im Wettbrüllen zu übertönen.

``Nichts weiter,'' sagte Eliot beruhigend. ``Nur ein Papyre, der seinen Job macht, und sich uns als Vertrag zur Verfügung gestellt hat. Also, ich sollte ja eigentlich nicht darüber sprechen, aber seit dem Krach mit einem unserer Leistungsbescheinigungsunterbeamten... Und der alte Trotzkopf hat die letzte Ladung Vertragsformulare für Primitiv-Welten, natürlich rein zufällig, in den entlegensten Winkel unserer Galaxis geschickt. Es wird noch einige Zeit dauern, bis wir das Zeug wiederhaben. Darum müssen wir zur Zeit ein wenig improvisieren.''

``Ach, so.'' sagte Alfie. Und dachte leise weiter: `Das ganze hier ist doch wohl nicht wahr, oder? Mein Sinne spielen mir irgendeinen dummen Streich. In Wirklichkeit sitze ich immer noch in meinem Schaukelstuhl auf der Veranda, bin eingeschlafen, und träume vor mich hin. Genau! So muß es sein!'

Doch noch war keine Ende des Traumes in Sicht, wie es schien.

``Bitte unterschreib' einfach auf der gestrichelten Linie und drück' dann den Daumen in das umrandete Kästchen,'' sagte Eliot.

Und Alf tat was der Blue von ihm verlangte. `Wenn dieser Traum nur endlich vorbei wäre,' dann erst las er, was er da unterschrieben hatte...

V E R T R A G

Zwischen: GEG mbH und Planet Erde

Vertreten durch: Eliot (GEG mbH) A. Doomslay (Planet Erde)

Hiermit bestätigt der unterzeichnende Alfred Doomlay, den von der Galaktischen Entwicklungshilfe Gesellschaft (mbH) gestifteten Charakterkorrektor für Primitiv-Welten dritter Klasse in ordnungsgemäßem Zustand empfangen zu haben.

Bitte quittieren Sie hier:

_ _ _ _ _


Unterschrift

Daumenabdruck

Wichtig: Für etwaige spätere Reklamationen, ist es unbedingt erforderlich die Garantiekarte des Gerätes aufzubewahren. Fehlfunktionen, können niemals wirklich ausgeschloßen werden, unsere Techniker sind jedoch jederzeit gerne bereit diese, falls sie auftreten sollten (was wir nicht hoffen wollen), unverzüglich zu beheben. (Sofern sie behoben werden können.)

Achtung: Mögliche Nebenwirkungen, die besonders bei höchst agressiven Primitiv-Weltlern auftreten können, sind neben allgemeiner Verdummung, u.U., Lethargie und Gelbfuß. Da jedoch an dieser Stelle breits darauf hingewiesen wird, ziehen wir es vor, keine diesbezügliche Haftung zu übernehmen.

Mit freundlichen Grüßen
Ihre GEG mbH

Kaum hatte Alf zu Ende gelesen, riß Eliot ihm den Vertrag auch schon wieder aus der Hand.

``Also, ich muß jetzt wirklich zusehen, daß ich hier wegkommen. Merciander hat bestimmt schon das Essen aufgewärmt und die beiden Kleinen, kommen gleich aus der Erziehungsanstalt, Du weißt ja, wie das ist,'' sagte Eliot und spuckte Alfred vor die Füße, was in etwas einem menschlichen Zwinkern entsprach. Dann entschwand mit einem ``Tschüss, Alf!''

``Auf Wiedersehen, '' brachte Alfred mit einiger Mühe hervor.

Gebannt starrte er auf das Ei, in dem der Baue verschwand. Es schüttelte sich, ruckte kurzzeitig hin und her, und hustete zwei zartrosa Wölkchen in den stahlblauen Himmel, dann machte es Plop! und weg war es.

Fassungslos, noch völlig in den Bann der fortschrittlichen Technologie des Gefährt des Außerirdischen gezogen, starrte er immer noch auf die Stelle an der doch eben noch das Ei gestanden hatte, bevor es sich in Nichts auflöste. `Endlich. Endlich!' dachte er. `Es ist vorbei. Und ich war wirklich schon kurz davor den Verstand...'

Die Gedanken blieben stehen. Aus dem Nichts war genau dort, wo vorhin noch ein außerirdisches Ei gestanden hatte, ein außerirdisches quadratisches Kästchen aufgetaucht, dessen Kontrollämpchen verlegen vor sich hin blinkten. Aufgrund der reichlichen Übung in letzter Zeit, schafften Alfs Nackenhaare es diesmal in Rekordzeit sich einzeln aufzurichten...

DREI

Vorsichtig, wie ein zerbrechliches rohes Ei, hob Alf den Kasten hoch und betrachtete ihn von allen Seiten. Eigentlich schien er nichts besonderes an sich zu haben. Einige Schalter, kleine Hebel, Kontrollampen und Skalen, das war schon alles. An der Unterseite klebte ein Zettel.

``Jetzt hätte ich in all der Eile doch beinahe das Wichtigste vergessen! Hier ist er also, der Charakterkorrektor. Bevor Du ihn einschaltest, solltest Du aber noch etwas unbedingt wissen. Nun, die Sache ist die. Der Korrektor wurde dazu entwickelt Chraktere zu verändern. Das dürfte schon aufgrund der Gerätebezeichnung einleuchten. Der Trick ist nun, das nur kriegerische und labile Charaktere betroffen werden, während friedfertige ungeschoren bleiben. Soviel zur Wirkungsweise.

Den Sinn, der dahintersteckt, hast Du vielleicht schon erraten. Wenn Du das Gerät einschaltest, dauert es ziemlich genau 0.02021965 Mikrosenkunden (ganz genau läßt sich das nie so leicht sagen) und Dein Heimatplanet Erde wird von einheitlich friedfertigen Menschen bewohnt werden.

Kriege werden danach der Vergangenheit angehören. Es wird keine Verbrechen mehr geben, kein Chef wird seine Untergebenen herumkommandieren (schon weil es keine Untergebenen mehr geben wird). Alle Streitigkeiten sind erledigt und vergeßen, Sport wird als Wettkampf aufhören zu existieren, und so weiter, und so weiter -

Man kommt richtig ins Schwärmen, wenn man die Wirkung dieses kleine, unscheinbaren Kästchens beschreibt. Sei's drum! Jedenfalls kann kaum etwas schief gehen, wenn Du folgende einfache Regeln genau befolgst:

  1. Betätige die Schalter a-q der Reihe nach. Vorsicht! Die Sonne sollte dabei in Deinem Rücken stehen.
  2. Dreh' den Knopf an Skala D solange in Bewegungsrichtung der Galaxis, bis die violette Skala leuchtet. Wichtig: Auf keinen Fall in die falsche Richtung drehen, da die Wirkungsweise des Korrektors hierdurch kallibriert wird. (Das hat noch kein Planet unbeschadet überstanden.)
  3. Dann müssen nur noch die Hebel j-m in die vorgesehene Nut gelegt werden. Aufgepaßt bei Hebel l, der klemmt nämlich meistens bei dieser Baureihe.

Schon ist die ganze Sache gelaufen. Einfacher geht's doch nun wirklich nicht! Und jetzt wünsche ich Dir und der restlichen Menschheit noch viel Spaß mit Eurem neuen Korrektor.

Vielleicht schaue ich demnächst nocheinmal, in ein bis zwei Lichtjahren vorbei, wenn ich die Ladung Marterpfähle für das Folterfestival auf Miniboo II abgeliefert habe.''

- gez. Eliot

p.s.: Dieser Zettel gilt als Garantiekarte und sollte daher sicher aufbewahrt werden!

Alfred hielt es nicht mehr aus, er begann zu schreien. Anhaltend und laut. So laut übrigens, daß die Vögel vor lauter Schreck zu zwitschern aufhörten und beleidigt davonflogen. Den Insekten hingegen schien Alfies Geplärre nichts auszumachen. Als er völlig außer Atem war, fühlte er sich endlich besser. Er faßte einen Entschluß.

VIER

Wie der geölte Blitz rannte Alf in den klapprigen Geräteschuppen, rumorte dort eine eine Weile herum und kam dann mit einem alten Kartoffelsack wieder zum Vorschein. Seine Gedanken schwirrten aufgeregt durcheinander.

`Naswurzer? Galaktische Entwicklungshilfe GmbH? Folterfestival? Pah! Aber nicht mit mir! Nicht mit Alfred Doomslay! Na, Euch werd' ich's schon zeigen!'

Er packte den Sack fester und wetzte zurück in den Garten. Alf nahm den Kasten samt Eliots Zettel und warf ihn in den Sack, woraufhin der Korrektor lautstark protestierte und nach seinem Anwalt verlangte. Außerdem faselte er irgendetwas unverstädliches von galaktischen Konventionen, oder etwas ähnlichem. Aber Alf war alles egal.

Tatsächlich versetzte ihn dieses unerfreuliche Verhalten eher noch mehr in Rage, und trieb seinen Puls weiter in die Höhe. Also beschwerte er den Sack noch mit ein paar alten Ziegeln, die er aus der Randbefestigung der Radieschenbeete rieß, rannte kurz an der Veranda vorbei, und stopfte auch noch das vermaledeite Buch in den Sack, das er zum `...nicht Fluchen!' wünschte. Er fuhr den Rover im Schnellgang aus der Garage und streifte dabei Tante Friedas Rosenbeete. Das würde ihn den Kopf kosten, wenn sie wieder zurückgekehrt war, aber das war nun auch egal.

Eigentlich war Alf im Moment so ziemlich alles egal. Sollte ihm doch der Mond auf den Kopf stürzen! Alf hatte jetzt wichtigeres zu tun, als über derartige Lapalien zu philosophieren, die ihn ohnedies nur in eine tiefe Sinnkrise stürtzen würden. Vor allem nämlich, wollte er seinen gesunden Menschenverstand nicht kampflos dem nackten Wahnsinn überlassen.

`Was sollte das eigentlich mit dem Mond heißen..? Sind das schon die ersten Anzeichen?' Er lud den Sack auf und raste los. Mit etwas mehr als überhöhter Geschwindigkeit, ging's die Cattletreck Road hinunter, bis zur alten Eiche. Dort nach links den Weg hinauf, vorbei an den Chorrals mit lauter dämlich grinsenden Rindern darin, die sich schelmisch zuzublinzeln schienen, weiter den Hügel hinauf und dann nach Süden.

Eine halbe Stunde später war Alf am Ziel. Die Whitesoccey Sümpfe, ein schwer zugängliches Gebiet. Dennoch kannte sich Alf hier blendend aus. War er doch früher immer mit Grandpa hierher gekommen um Alligatoren zu jagen und kannte das Gebiet wie seine Westentasche. So wie alle anderen Doomsleys übrigens auch. Familientradition, versteht sich.

Er warf den Sack mit dem allmählich heiser werdenden, außerirdischem Inhalt und irdischer Beschwerung über die Schulter und stapfte auf ein unsichtbares Ziel zu. Zweimal sackte er bis über die Knöchel ein, aber Alf hastete weiter und kam, völlig außer Atem, an der Stelle an, die ihm für sein Vorhaben am geeignetsten erschien.

Alf atmete tief durch, holte weit aus, und der Sack schoß samt immer noch wild fluchendem Inhalt in hohem Bogen davon. In einiger Entfernung klatsche er in die grünbraune Brühe und langsam, ganz langsam versank er mit einem glucksenden Geräusch. Einige Sumpfbewohner hasteten entsetzt davon. Dann plötzlich verstummten alle Geräusche, und eine trügerische Stille legte sich über den Ort. Nur Alfs Lunge gab merkwürdige Töne von sich, aber langsam, sank auch sein Puls in Richtung Normalität ab.

`Du Idiot!' schrie der Revoluzzer in Alf, während dieser langsam aber sicher wieder zu Atem kam, und seinen Gedanken freien Lauf ließ. `Wie kann man nur so entsetztlich dumm...' Alf schnitt ihm das Wort ab. `Halt die Klappe!' dachte Alf. `Alles war ganz wunderbar und in bester Ordnung, bis ich auf Dich gehört habe. Zwar nicht rosig, aber in Ordnung. Keine Probleme. Nada! Dann kommst Du daher, erzählst mir wie langweilig es doch wäre, und wie toll alles sein könnte, und schon steht irgendsoein Außerirdischer in deinem Garten, und dreht dir einen Charakterkorrektor an. Nein danke, mein Freund. Vergiß es!'

Alf war wahnsinnig stolz auf diesen inneren Monolog, den er mit Leichtigkeit gewonnen hatte. Es bestand für ihn absolut kein Zweifel daran, der Menschheit soeben einen großartigen Dienst erwiesen zu haben. Schließlich hatte er sie vor Verdummung, Gelbfuß und abgesagten Fußballspielen gerettet.

Vor allem aber, hatte er sich selbst bezwungen! Den inneren Schweinehund erledigt und das war doch schließlich etwas, auf daß er mächtig stolz sein konnte. Natürlich würde er den anderen nichts von dieser Geschichte erzählen, die würden ihn glatt einsperren, aber trotzdem wurde er das gute Gefühl nicht los alles richtige gemacht zu haben. Er wartete noch ein Weilchen, bis auch die letzten Bläschen, die an der Stelle wo der Sack versackt war noch aufgestiegen waren, verschwanden. Und machte sich mit einem Lächeln auf den Lippen auf den Heimweg.

EPILOG

Zurück auf der Ranch begann er sogleich mit den Aufräumarbeiten und richtete das Rosenbeet so gut wie möglich wieder her. Dann setzte er sich wieder in den Schaukelstuhl auf der Veranda, unterdrückte gekonnt ein aufkommendes Fluchgefühl, als seine Bandscheiben protestierend knartzten. Er nahm die Pfeife in die eine und den Tabakbeutel in die andere Hand, stopfte die Pfeife, so wie er es gelernt hatte, und begann zu rauchen. Er hustete, wie er es immer getan hatte und griff nach dem Buch. Der Gute Ton für Anfänger wog schwer in seiner Hand.

`Woll'n doch einmal sehen, welches Kapitel heute dran ist,' dachte Alf und schlug die markierte Seite auf und -

Alfs Nackenhaare wußten, was sie zu tun hatten...

KAPITEL 12.

Wie verhalte ich mich Eindringlingen gegenüber?

E N D E



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Die Personen und Vorgänge, sowie die Namen die in dieser Geschichte verwendet wurden sind fiktiv und jede Ähnlichkeit mit Namen, Charakter oder Biographie jedweder Person ist rein zufällig und unbeabsichtigt.

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