Montag, 1. Juni 2009

Wahwah-8 (1981)

Die folgende Story entstand nach einem intensiven Gespräch mit einer Vogelliebhaberin; was auch immer das bedeuten mag...

Eigentlich durfte es dieses Ding ja gar nicht geben, dachte Wahwah-8 bei sich. Doch gerade eben als er seine alltägliche Kontrollrunde beendete, war dieses Ei aus dem Himmel gefallen und schwebte nun, keine 6 Schläge von ihm entfernt etwa in Sehhöhe.

Wahwah-8 war nun sicher kein Feigling, für gewöhnlich vertrieb er Feinde mit wenigen Hieben aus der Kolonie, aber was sollte er jetzt tun? Angreifen? Hätte das überhaupt Sinn?

Unruhig trat er von einem Fuß auf den anderen und entschloß sich erst einmal abzuwarten. Sehr groß war es ja zum Glück nicht, eher klein, nein, etwa halb so groß wie ein ausgewachsener Fütterer.

Aber Wahwah-8 ließ den Mut nicht sinken, sondern betrachtet das Ei etwas genauer. Warum es nur von Innen heraus so leuchtete? Doch plötzlich verschwand das Leuchten, und ein schwarzer Spalt erschien auf der ansonsten glatt polierten Oberfläche. Er vergrößerte sich zusehends.

Aus dem Dunkel der Öffnung, in die sich der Spalt verwandelt hatte, trat, Wahwah traf beinahe der Schlag, ein Wesen das glatt sein Bruder hätte sein können, wäre da nur nicht dieses merkwürdige zweite Kleid gewesen, das sein Gegenüber von Hals bis Fuß einhüllte, und nur den Kopf freiließ. Das Licht der untergehenden Sonne brach sich reflektierend in diesem merkürdigen Ding. Es schillerte in allen Regenbogenfarben.

Langsam schwebte der Fremde aus der Öffnung herab, auf Wahwah zu, wobei er mit dem Kopf die Geste der Unterlegenheit und Freundschaft bedeutete. Wahwah-8 zitterte am ganzen Körper; und das war ihm noch nie passiert! Aber jetzt ließ es sich kaum vermeiden. Sein Verstand sagte ihm, daß es nun an der Zeit wäre zu verschwinden. Doch Wahwah kämpfte tapfer gegen dieses Gefühl an.

Angst! Zum ersten mal in seinem Leben erfuhr er was dieser Begriff zu bedeuten hatte. Oh, natürlich war es keine persönliche Angst; schließlich war er gewohnt zu kämpfen, aber die anderen! Der Rest der Kolonie äre diesem Feind wohl hoffnungslos ausgeliefert, wenn er versagte. Er dachte an sein Frau, seine Kinder, Freund und Bekannte, und riß sich zusammen.

`Nur Mut!' sagte er mehr zu sich selbst, dann griff er den Fremden an. Den Kopf weit von sich gestreckt haltend und wild mit den Flügeln schlagend rannte Wahwah auf den Gegner los.

Er rannte und rannte, doch der Feind kam gar nicht näher!? Wahwah schien buchstäblich auf der Stelle festzukleben. Als er in der nun aufkommenden Verzweiflung an sich herabblickte, entdeckte er ein leuchtend rotes Schemen, welches seine Füße einhüllte, und ihn offensichtlich festhielt.

Das war selbst für Wahwah zuviel! Laut und voller Verzeiflung schrie er um Hilfe. Da wurde der fremde Eindringling plötzlich sehr geschäftig. Er holte eine kleinen Kasten hervor und hielt ihn in Richtung Wahwahs.

Dieser glaubte nun endgültig sterben zu müssen und schrie sich fast die Seele aus dem Leib. Nur erschien einfach niemand um ihm zu helfen. Woran das lag, erfuhr er nun endlich von dem Fremden, der merkwürdige Laute ausstieß und dabei immer wieder auf Wahwah deutete. Bis dann plötzlich das folgenden aus dem komischen Kasten drang, den der andere in der Schwinge hielt.

``Entschuldige bitte, das ich Dich so erschreckt habe! Aber ich mußte Dich einfach dazu bringen ein paar Laute zu äußern, sonst hätte es der Interpreter nicht geschafft meine in Deine Sprache zu übersetzten. Du brauchst keine Angst mehr zu haben. Mein Name ist Quack.02, ich bin ein Entonier und komme mit meinem Raumschiff,'' er deutete mit der anderen Schwinge hinter sich, ``dem Ei dort drüben, direkt von meinem Heimatplaneten Urnest hierher.''

``Ach, ja. Deine Freunde konnten Dich vorhin nicht hören, weil ich mich genötigt sah einen Schallkompens'O-matic Schirm um uns herum zu legen, denn ich wollte schließlich erst einmal nur allein mit Dir Kontakt aufnehmen.'' erklärte Quack.02.

Wahwah-8 glaubte zu träumen. Interpreter?, Raumschiff?, Entonier?, Schallkompens'O-matic Schirm? Das hier schien nun ein ganz besonders heimtückischer Albtraum zu sein! Und dabei hatte er sich doch dieses Jahr echt zusammengerißen und hatte nicht wieder zuviele Teichgrasblüten gekaut, was erstens von den Alten verboten worden war. Und zweitens halluzinogene Erscheinungen verursachte, was allseits bekannt war. Wurden Wächter wie Wahwah in diesem Zustand auf Posten erwischt, war der Ausstoß aus der Kolonie vorprogrammiert. Doch soweit wollte er es nicht kommen lassen. Die anderen würden ihn sowieso nur auslachen, wenn er ihnen hiervon erzählen sollte.

`Nun, gut' dachte Wahwah bei sich. Schließlich war er bisher aus all seinen Träumen als Sieger hervorgegangen, also beschloß er das Spiel zunachst einmal mitzuspielen. `Mal sehen, was mir meine Phantasie sonst noch zu bieten hat.'

``Guten Abend, Quack,'' begann er höflich, ``mein Name ist Wahwah-8, ich wohne hier und bin Wächter unserer Kolonie! Angenehme Wassertemperatur heute!'' Etwas forscher fuhr er fort: ``Ich muß übrigens darauf bestehen sofort losgelassen zu werden!'' `Damit ich Dich endlich verjagen und diesen merkwürdigen Traum verlassen kann,' fügte er in Gedanken hinzu.

Augenblicklich verschwand das Rote von seinen Füßen und wieder versuchte Wahwah den Fremden anzugreifen. Er kam jedoch nur eine halbe Füßbreite weit, dann hielt ihn das rote Schemen erneut fest.

``Hmmm,'' machte Quack.02 nachdenklich, ``anscheinend haben die sich bei der Berechnung Eures Intelligenzquotienten ganz schön verhauen. Oder ich habe ein besonders blödes Exemplar erwischt. Aber wollen wir einmal darüber hinwegsehen, und annehmen, das die Jungs von der Galaktischen Entwicklungshilfe GmbH wider einmal ein paar falsche Parameter in ihre Computer gesteckt haben. Sei's drum, schließlich bin ich ohnehin hier, um Eure Intelligenz zu fördern. Fangen wir also gleich damit an.''

Quack.02 verschwand kurz im Ei und tauchte diesmal ohne das zweite Kleid wieder auf, dafür aber mit einem länglichen Stock in der Schwinge bewaffnet, an dessen Ende ein blinkende Halbkugel bedrohlich funkelte. Diese näherte sich nun Wahwahs Kopf, und stülpte sich darüber. Wahwah bemühte sich vergeblich den Kopf wegzuziehen, aber das Rote Zeug hüllte ihn inzwischen ganz ein und so war er komplett bewegungsunfähig.

Mit einem Mal schien Wahwahs Kopf zu explodieren, als der Fremde auf einen kleinen Knopf am Ende des Stocks drückte. Es schmerzte fürchterlich! Eine Welle von bisher unbekannten Emotionen schien über ihn hinweg zu rasen und verdeckte kurz die vielen, grellen Lichterscheinungen, die vor seinen Augen Ringelrein tanzten. Wahwahs Intellekt vergrößerte sich von Sekunde zu Sekunde. Er sah Quack.02 an, das Ei, dann rief er sich die Worte in Erinnerung, welche so unverständlich geklungen hatten und--er begriff! Es war doch alles so einfach!

Vor ihm stand offensichtlich ein galaktischer Entwicklungshelfer, der der Galaktischen Entwicklungshilfe GmbH (GEG) angehörte, die irgendwo auf dem Planeten Urnest eine Niederlassung besaß. Von dort war Quack.02 in die Randregionen der Galaxis geschickt worden, wo er unseren Planeten untersuchen sollte. Dieser hatte nämlich deshalb das Interesse der GEG auf sich gezogen, weil hier die Evolution wirre Wege gegangen war, wie man auf eingigen Kartierflügen festgestellt hatte. Statt er Gattung Wahwahs und Quacks waren andere von der Natur mit Intelligenz versehen worden.

Dennoch war man sich in den oberen Gremien der GEG fast einstimmig einig darüber, daß die Avenoiden dieses Planeten nicht völlig ohne Denkvermögen weggekommen sein konnten, also hatte man die Computer angeworfen und eine Weile rechnen lassen. Die Ergebnisse waren ermutigend, und so wurde Quack.02 losgeschickt, auf einen Planeten, bei dem sich die Natur herabgelassen hatte auch einmal anderen eine Chance zu geben, aus ihrer Intelligenz etwas zu machen.

Kurzum, die Laune von Mutter Natur hatte sich inzischen gegen sie selbst gewendet. Diese Wesen wußten einfach nicht was sie mit dem Geschenk anfangen sollten. Statt sich, wie alle anderen Bewohner dieser Galaxis, in den Weltraum zu orientieren, blieben sie auf der planetaren Stufe stehen und nutzten nun ihr Denkvermögen einzig dazu, die Natur (die sie doch derart bevorzugt hatte) zu zerstören, sich auf möglichst viele verschiedene Arten und Weisen gegenseitig umzubringn, und zum kollektiven, planetaren Selbstmord aufzurüsten. Hier sollte nun die Korrektur der GEG ansetzen, indem der Fehler zugunsten der Avenoiden ausgebügelt werden sollte.

Dies alles erkannte Wahwah plötzlich in kristallener Klarheit. Er wußte das damit nur die Fütterer gemeint sein konnten, die auch die Landschaft geschaffen hatten, in der nun die Kolonie Quartier bezogen hatte. All dies erkannte er nun. Er sah...Doch er sah den Stein zu spät den einer der beiden Fütterer geworfen hatte, die sich im Schutz der Dunkelheit angeschlichen hatten, um die Nester zu plündern. Der Stein traf Quack.02 am Hinterkopf, und zerschmetterte ihn, worauf er sofort tot zusammenbrach. Die Halbkugel rutschte von Wahwahs Kopf, und er kam frei, denn auch das Rote war plötzlich verschwunden. Halb wahnsinning vor Angst, vergaß er alles, was er eben erst gelernt hatte, und stürzte, wild mit den Flügeln schlagend Hals über Kopf davon. Gegen die Fütterer konnte man ohnehin nichts ausrichten, also warnte Wahwah die anderen nur mit seinen Schreien; und suchte schleunigst selbst das Weite.

Noch während Wahwah Hals über Kopf davonstob, sagte der eine Fütterer zum anderen: ``Ey, Du wolltest sie doch nur erschrecken! Jetzt hast Du gleich eine getötet!''

``Schrei mich nicht so an, Mann!'' erwiderte der Werfer. ``das war doch bloß 'ne Ente!''

Dann vergingen die beiden im automatischen Abwehrfeuer von Quacks Raumschiff, dessen Autopilot natürlich auf derartig tragische Vorkommnisse programmiert war; das Schiff hob den Leichnam Quacks auf, und verschwand mit flammenden Triebwerken im Nachthimmel.

E N D E



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